„Oh, Hallo und guten Morgen. Was machst du schon so früh hier?“ begrüßt Fiona überrascht ihre Kollegin.
Diese gähnt und antwortet: „Arbeiten, was sonst?“
„Achja… und warum hast du ein Shirt mit langen Ärmeln an? Heute soll es heiß werden.“
„Du weißt doch ganz genau warum!“ meint Anette schnippisch.
„Nö. Warum?“ kontert Fiona schmunzelnd.
„Na, weil ich gestern den ein oder anderen Kratzer abbekommen habe. Bevor ich dumme Sprüche höre schwitze ich lieber… und damit ich nicht den ganzen Tag schwitze, bin ich schon um halb 5 auf, damit ich so früh wie möglich im Büro sein kann… frag doch nicht so doof!“
Fiona grinst und meint: „War also ein erfolgreicher Sonntag, wenn du am Montag auch noch was davon hast?“
Anette lächelt verlegen: „Ja, schon irgendwie… wobei… die Brennnesseln hättest du dir sparen können.“
Nach dem kurzen Gespräch muss Fiona in ein Meeting und lässt ihre Kollegin allein im Büro zurück.
Diese krempelt die Ärmel ein paar Zentimeter hoch und atmet hörbar aus: „Es ist ja jetzt schon so warm… das wird ein harter Tag.“
Gerade als sie die ersten Mails bearbeiten will, lenkt sie ihr Handy ab.
„Was ist denn jetzt wieder?“ murmelt sie genervt und sieht auf den Bildschirm.
>Schon im Büro?<
„Ralf.“ meint sie augenrollend.
>Ja, immer fleißig. Kennst mich doch, man nennt mich auch die Biene.<
>Haha, das merk ich mir. Was anderes… wie geht’s dir heute? Irgendwelche Beschwerden, Anregungen, Fragen oder so?<
„Puuh… ja, wann fickst du mich wieder.“ flüstert sie und tippt auf ihr Handy.
>Nein, soweit alles in Ordnung. Ein paar Kratzer an den Armen und Schultern, aber nichts schlimmes.<
>Das freut mich, also, dass nichts ist, nicht die Kratzer …. also Spuren sind zwar schön, aber … ja du weißt eh was ich meine…<
>Ich weiß. Striemen am Po sind schöner als zerkratzte Unterarme. Hab dich schon verstanden.<
>Sehr gut. Dann noch schnell deine Aufgabe für heute, wird recht einfach. Leih dir heute Geld von Fiona für dein Mittagessen.<
„Was!?“ zischt sie panisch ihr Handy an und hat direkt Herzrasen.
„Geld leihen? Fürs Mittagessen? Was muss Fiona von mir denken? Ich Dummerchen hab wieder meine Sachen nicht beisammen? Ich will mich durchschnorren? Wie spreche ich sowas eigentlich an? Nein, lieber lasse ich heute das Essen einfach bleiben … Manno…“ geht ihr durch den Kopf, da kommt Fiona wieder durch die Tür und setzt sich hinter ihren Schreibtisch.
Nach seiner Nachricht findet sie nicht mehr in ihren Workflow. Immer wieder kommen Gedanken zur Aufgabe auf.
Anette schreibt einen Satz und verliert sich wieder in der Frage: „Wie spreche ich Fiona an, ohne dass es komisch wirkt?“
So vergeht der restliche Vormittag. Kurz vor halb 1 atmet Anette tief ein und schiebt ihren Geldbeutel tiefer in ihre Tasche.
Sie fasst all ihren Mut zusammen und meint: „Fiona, kann ich dich was fragen?“
Ihr Herz rast vor Aufregung. Sie wischt die schwitzigen Handflächen an den Oberschenkeln ab und holt tief Luft.
„Ich war heute sehr durcheinander… ähm… und ja, darf ich mir fürs Geld etwas von deinem Essen borgen?“ stammelt sie.
Fiona zieht die Augenbrauen zusammen und fragt: „Ich soll dir Essen borgen?“
„Ach, Fuck… ich .. ähm… Geld fürs Essen, natürlich…“ schießt es aus Anette, die mit einem aufgesetzten Lächeln die Situation überspielen will.
Ihre Kollegin antwortet ruhig und gelassen: „Klar. Du stellst dich einfach nach mir an und ich zahl deins mit, ist doch kein Problem. So Tage hat jeder, wie oft hab ich schon was vergessen.“
Anette versteckt sich wieder hinter ihrem Computerbildschirm und lässt die Schultern sinken.
„Puuh.. war doch gar nicht so schwer..“ denkt sie und hat ein stolzes Lächeln auf den Lippen.